Urlaub mit einem neurodivergenten Kind: Entspannt reisen, gemeinsam erleben

Der Gedanke an Urlaub weckt bei vielen Menschen Vorfreude – neue Orte entdecken, den Alltag hinter sich lassen und Zeit mit der Familie genießen. Für Eltern neurodivergenter Kinder kann dieser Gedanke aber auch viele Fragen und Sorgen aufwerfen: Wird das Essen gehen zu viel werden? Lieber ein Appartement und selber kochen? Wie können wir unterwegs mit sensorischer Überforderung umgehen? Und wie gelingt es, dass wir trotzdem Entspannung finden?

Die ersten Urlaube mit unserem neurodivergenten Kind waren für mich eine Herausforderung und ich scheiterte immer wieder an meinen Bemühungen eine Balance zwischen Struktur und etwas Neues Kennenlernen zu finden und zu halten. Wir mieden sehr lange Hotels und setzten auf Appartements und Selbstversorgung fernab überfüllter Hotelbuffets oder machten Urlaub zu Hause und unternahmen Tagesausflüge, weil mir das Wegfahren, der Ortswechsel und was die damit einhergehende Strukturänderung mit unserem Kind machte, zu anstrengend war.

Aber ich habe gelernt, dass mit guter Vorbereitung, entsprechenden Strategien und kleinen Anpassungen  auch der Urlaub mit neurodivergenten Kindern erholsam sein kann. Hier meine Tipps dafür:


1. Vorbereitung ist der halbe Urlaub

Je besser dein Kind weiß, was es erwartet, desto sicherer fühlt es sich. Viele neurodivergente Kinder profitieren davon, wenn sie sich auf Veränderungen einstellen können. Das gilt besonders für Reisen.

Visualisiere den Urlaub: Nutze Bilderbücher, YouTube-Videos, Fotos oder sogar Google Street View, um das Reiseziel und die Unterkunft gemeinsam anzuschauen.

Überlegt zusammen:  Frage dein Kind z.B. „Was möchtest du in den Urlaub mitnehmen?“ Wählt gemeinsam Aktivitäten aus oder besprecht, was euch Freude machen könnte – und was lieber vermieden wird.

Erstellt einen Ablaufplan: Ein strukturierter Tagesplan (gern auch mit Bildern oder Symbolen) gibt nicht nur im Alltag Orientierung.

Übt Situationen im Kleinen: Z. B. ein Besuch im Freibad als Generalprobe für den Strand, oder eine längere Autofahrt zu den Großeltern als Vorbereitung auf die Anreise.

 


2. Die Anreise stressfrei gestalten

Ob Auto, Bahn oder Flugzeug – Reisen bedeutet Wartezeiten, ungewohnte Geräusche, neue Menschen. Für viele neurodivergente Kinder kann das überfordernd sein.

Reisezeiten bewusst wählen: Wenn möglich, in der Nebensaison fahren oder fliegen – das minimiert Stress.

Vertraute Dinge mitnehmen: Kuscheltier, Knautschball, Kopfhörer, Tablet mit Lieblingsserien, Snacks – alles, was Sicherheit gibt und dein Kind gern mag.

Pausen einplanen: Gerade bei Autofahrten lieber einmal mehr anhalten und durchatmen. Erkundigt euch vorab der Reise, wo es entlang der Strecke Spielplätze oder Spielräume gibt.

Vorab informieren: Viele Flughäfen oder Bahnhöfe bieten barrierefreie oder entspannte Reiseoptionen (z. B. „Sunflower Lanyard“-Programme für nicht sichtbare Behinderungen).

Fidget Toys und Kausteine gegen die Anspannung: Halte sie im Rucksack bzw. im Handgepäck griffbereit.

Lärmreduzierende Kopfhörer: helfen da wo es laut ist z.B. am Bahnhof, im Zug, am Flughafen, im Flugzeug

Flexibel bleiben: Manchmal geht etwas schief – und das ist okay. Wenn du vorbereitet bist, ist das nur halb so schlimm.


3. Den Urlaubsort passend wählen

Nicht jedes Ziel ist geeignet. Und das ist kein Makel – sondern eine Gelegenheit, bewusst zu wählen, was zu eurer Familie passt.

Worauf sollt ihr dabei achten?

Vertraute Umgebung: Ihr wart bereits an einem Urlaubsort der euch gefallen hat? Ein Urlaub in einem Hotel oder einem Appartement, dass euer Kind bereits kennt, ist meist angenehmer und mit weniger Aufregung vorab verbunden, weil es sich nicht komplett auf eine neue Umgebung einstellen muss.

Individuelle Bedürfnisse beachten: Für manche Kinder ist der Besuch eines Familyparks ein Traum, anderen tut die Bewegung in der Natur gut – wähle entsprechend.


4. Den Aufenthalt flexibel gestalten

Manchmal läuft’s anders als geplant – und das ist völlig in Ordnung.

Hilfreiche Strategien:

Tagespläne mit Pufferzonen: Halte Zeitfenster für Ruhe oder spontane Planänderungen offen. Ersteres besonders nach reizintensiven Erlebnissen.

Rede mit deinem Kind: „Was brauchst du gerade?“ ist oft hilfreicher als „Warum machst du das?“

Nicht zu viel vornehmen, flexibel bleiben: Weniger ist mehr. Lieber eine Aktivität bewusst genießen als den Tag vollpacken.

Alltag beibehalten, wo möglich: Gleiche Schlafzeiten, bekannte Rituale – das gibt Struktur.

 

5. Die Rückreise und das Nach-Hause-Kommen

Auch die Rückkehr verdient Aufmerksamkeit – für viele Kinder ist das Umgewöhnen zurück in den Alltag herausfordernd.

Daher die Rückfahrt wieder vorbereiten: Mit Countdown („Nur noch 3 Tage, dann sind schlafen wir wieder in unseren Betten.“) oder gemeinsamem Packen. Besprechen, wie die Rückreise abläuft. z.B. „Zuerst fahren wir mit dem Bus zum Flughafen und dann fliegen wir mit dem Flugzeug wieder nach Hause.“

Übergang erleichtern: Ein ruhiger Tag zuhause vor dem Wiedereinstieg in den Kindergarten, in die Schule oder Alltag kann Wunder wirken.

Erlebnisse gemeinsam reflektieren: Das Kind fragen: „Was hat dir in unserem Urlaub am besten gefallen?“ oder „Woran erinnerst du dich gerne, wenn du an unseren Urlaub denkst?“, Fotos anschauen oder ein Mitbringsel sammeln oder kaufen.


Fazit

Beim Urlaub mit neurodivergenten Kindern geht es nicht darum, alles „normal“ zu machen, sondern den einen eigenen Weg zu finden – einen, der euch als Familie guttut. Inzwischen machen wir wieder Urlaub im Hotel. Denn das Wissen um die besonderen Bedürfnisse unseres Kindes und wie wir ihnen gerecht werden können, macht nun vieles leichter. Ich bin immer noch angespannt, wenn wir zum Essen ins Hotelrestaurant gehen. Aber wir schaffen auch das in dem ich meinem Kind Lautstärke senkende Kopfhörer aufsetze und wir proaktiv um einen Tisch bitten, der nach Möglichkeit draußen und oder eher abgelegen ist.


Hast du selbst schon Urlaub mit deinem Kind gemacht? Was hat für euch funktioniert – und was eher nicht? Ich freue mich über Austausch in den Kommentaren!

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